Dienstag, 27. Juli 2010

Loveparade - tolle Party, grausames Ende

Mein Bericht als Loveparade-Besucherin:Mein Partner und ich sind gemeinsam nach Duisburg gefahren um dort eine der größten Partys im Ruhrpott zu feiern. Wir hatten uns schon am Abend zuvor drauf eingestimmt, begonnen zu feiern.

Dann standen wir ab 9.30 Uhr vor dem Eingang an der Karl-Lehr-Str. Da wir uns später mit Freunden treffen wollten, schickte ich denen eine SMS, dass wir an eben diesem Eingang stehen. Ich bin selbstverständlich davon ausgegangen, dass es zum Gelände mehrere Einlässe gäbe. Umso erschrockener war ich, als mein Freund dann behauptete, dass dies der einzige Ein- und Ausgang sein solle. Ich ging da garnicht drauf ein, da ich das nicht so ganz glauben konnte und keinen Streit provozieren wollte, das war mir einfach zu unwahrscheinlich.

So langsam füllte sich die Straße hinter uns mit Menschen. Es wurde immer stärkeres Gedränge. Gegen elf sollten die Tore geöffnet werden, entsprechendes Gedränge kam dann auch um kurz nach elf auf. Dann kamen mehrfach Durchsagen der Polizei, dass aus gewissen Gründen die Veranstaltung noch nicht losgehen könne, man sich gedulden solle. Die Leute buhten diese Durchsagen aus.

Je länger dieser Zustand dauerte umso größer wurde die Ungeduld der Leute. Immer mehr drängelten. Immer wieder kamen diese Durchsagen. Häufig bekam ich aus den hinteren Reihen Sprüche mit, dass die Bullen ja auch nichts machen könnten, wenn man einfach alle nach vorne drängen würde. Manche fanden sich ziemlich cool in dem was sie sagten "die Bullen mal zu überrennen", "denen mal zu zeigen, wie es geht!"."Schieb die doch alle mal an!" und solche Sachen hörte man immer wieder aus den hinteren Reihen.

Es wurde immer enger, mein Freund zog mich immer näher zu sich,lies mich nicht mehr los. Ich hatte den Eindruck, die Polizei spielte regelrecht mit der Geduld der Feierwütigen. Man darf ja nicht vergessen, dass viele von denen schon angetrunken waren, einige sicherlich bereits unter Drogen standen, was die ganze Situation für klar denkende Menschen erkennbar gefährlich machte. Zwischendurch schlug mir das Herz bis zum Hals. Doch zu dem Zeitpunkt wäre bereits ein Ausweichen aus der Situation und einfaches Weggehen garnicht bis kaum möglich gewesen. Umso erleichterter war ich, als dann um kurz nach 12 endlich Einlass gewährt wurde. Und selbst da musste man aufpassen nicht über den Haufen gerannt zu werden.

Als ich dann sah, dass von der Tunnelseite gegenüber auch eine Riesen-Menschenmenge gelaufen kam, fragte ich mich, wie denn bitte Leute, die nach Hause wollen, da ein Durchkommen finden sollten. Aber ich tat es für mich ab, dass es GANZ SICHER vom Gelände oben Ausgänge gäbe, dieses sei ganz sicher ausschließlich der Eingang.

Was ich sagen muss ist, dass zu keinen Zeitpunkt als ich mich auf dem Gelände befand das Gelände an Menschenmenge voll ausgelastet war. Man hatte zu jeder Zeit Bewegungsfreiheit. Dort wo die Getränkestände etc standen hätte man sich auch auf dem Boden hinsetzen und verschnaufen können ohne jede Gefahr.

Ich verstehe daher nicht, warum dann so vielen Menschen der Zugang verweigert wurde, obwohl noch Kapazitäten vorhanden gewesen wären.

Wir haben also fleissig gefeiert, Spaß gehabt, uns auf dem miesen Untergrund eingesaut wie die Schweine, denn es gab nur lose Erde und beinah Faustgroßes Geröll als Untergrund. Alleine dafür hätte man die Veranstalter erschlagen sollen, denn tanzen war kaum möglich. Unsere Leute waren noch immer nicht eingetroffen, also wollte ich sie anrufen und stellte dabei fest, dass ich im Wechsel entweder kein Netz oder aber überlastetes Netz hatte. Also wäre auch im Notfall überhaupt kein Notruf möglich gewesen. Aber gut, wenn das wenigstens alles gewesen wäre, was zu beanstanden war.

Gegen frühen Abend kamen die ersten "Gerüchte" auf, es habe Tote gegeben, eine Massenpanik habe es am Eingang gegeben. Ich hielt das zunächst für einen schlechten Scherz, dachte, dass Tote höhstens in Form von Drogenopfern oder Alkoholopfern haben existieren können und die wären für mich in gewissem Maß selbst schuld, wenn sie kein Maß und keine Grenze kennen.

Aber plötzlich hörte man laufend das Martinshorn der Krankenwagen. Es fand kein Ende mehr. So wurde uns bewusst, dass an den Behauptungen wohl etwas Wahres sein musste. Innerhalb weniger Minuten verging uns das Feiern. Ungewissheit machte sich breit. Vor allem die Frage, wenn das stimme und sich die Nachricht unter den noch Feiernden verbreitet, WAS PASSIERT DANN? Bricht hier dann auch Panik aus? Plötzlich wurden Ausgänge geöffnet, Ausgänge die vorher garnicht da waren. Wir beschlossen zu gehen. Die Lust am Feiern war uns vergangen, endgültig.

Bei den Bildern aus dem Tunnel, die ich in den Medien gesehen habe, bin ich heilfroh, dass wir einen der neu geöffneten Ausgänge genommen haben und nicht den Weg durch den Tunnel zurück gewählt haben. Es macht mich total betroffen, dass die Menschen die doch eigentlich nur Spaß haben und feiern wollten sowas Entsetzliches erleben, und viel zu viele Menschen sogar ihr Leben lassen mussten.

Mir wird klar, in welcher Gefahr wir uns bereits am Eingang am frühen Vormittag befunden haben. Und wieviel Glück wir hatten, dass zu diesem Zeitpunkt nicht schon die Situation eskaliert ist. So froh ich auch darüber bin, dass mir und den mir bekannten Menschen nichts Schlimmes widerfahren ist, so viele Fragen kommen trotzdem in mir hoch.

Ich frage mich, WARUM?
* Warum den Menschen nicht VOR den Tunneln der Zugang versagt wurde, wenn es deren Meinung nach zu voll war.* Warum lies man die Menschen erst in die Tunnel, aus denen niemand entweichen und keinerlei Hilfe im Nofall von aussen hinzustossen konnte?* Warum wurden die Absperrgitter miteinander verschraubt, wo man doch genau wissen musste, dass dies im Fall des Falles eine TODESFALLE werden kann?
* Warum wurden die Sperren nicht wenigstens in dem Augenblick geöffnet, wo sich die fatale Situation abzeichnete um den Menschen Möglichkeiten zum Entweichen/Ausweichen und den medizinischen Hilfskräften Durchgang zu geben?
* Wie konnte ein Ordnungsamt die Auflagen bei einer Veranstaltung dieser Größenordnung lockern, indem bestimmte Breiten für Notausgänge nicht eingehalten werden mussten?
* Warum gab es keine Feuerwehrpläne/Notfallpläne?
* Warum konnte die Veranstaltung stattfinden, wenn das Gelände laut städtischer Genehmigung nur für 250.000 Personen zugelassen wurde? Man wusste aus den letzten Jahren mit welchem Zustrom zu rechnen war!
* Warum wurden die Mahnungen der Feuerwehr, die bereits im letzten Jahr durch die Medien gingen, nicht beachtet und die Pläne entsprechend überarbeitet, damit die Bedenken keinen Bestand mehr hätten?

* WARUM WURDE SO LEICHTFERTIG MIT MENSCHENLEBEN UMGEGANGEN?

Die ganze Loveparade hätte unter diesen Umständen nicht auf diesem Gelände stattfinden dürfen. - Wäre alles gut gegangen, hätten sich alle gerühmt und im Erfolg gesuhlt, doch nun will niemand die Verantwortung tragen. Es ist doch immer das gleiche...

Mein aufrichtiges Beileid an alle Betroffenen Familienangehörige und Freunde. Allen Verletzten wünsche ich gute Genehsung.

R.I.P.